14 Erster Teil. Das Altertum.
in zwei Teile: Israel und Juda. In Israel wurde der Je-hovahdienst von den Königen (Ahab) bekämpft, während Propheten für ihn auftraten (Elias, Elisa). Allmählich sank trotz der Arbeit feuriger Prediger, wie Arnos, Hosea, Jesaias, Jeremias, der sitt-722 liche Zustand des Volkes. Israel wurde 722 von den Assyrern zerstört und Juda von den Babyloniern (Nebukadnezar) 586. Aus 586 der babylonischen Gefangenschaft (586— 538) kehrte ein Teil der Juden durch die Gnade des Cyrns nach Judäa zurück und baute das zerstörte Jerusalem nebst dem Jehovahtempel wieder auf. Die Juden blieben fortan unter der wechselnden Oberhoheit der Perser, Alexanders des Großen, der Ptolemäer und der Selenciden. Eine zeitweilige Befreiung vom fremden Joch und einen höheren 150 Aufschwung des nationalen Gefühls brachte etwa um 150 v. Chr. das Heldengeschlecht der Makkabäer. Aber bald wurde das Volk durch innere Streitigkeiten, besonders durch die religiöse Befehdung der Pharisäer und Saddncäer in die Arme der Römer getrieben 63 (Pompejus 63 v. Chr., vgl. § 42), unter deren Botmäßigkeit es dann verblieb.
Charakteristisch ist für die Juden der unter allen Drangsalen mit der größten Lebendigkeit beibehaltene Glaube an das einstige Erscheinen eines Befreiers und Erlösers Messias); sie dachten sich jedoch denselben lediglich weltlich, und so kam es, daß die geistige Erlösung Jesu Christi ihnen bis heute nicht als die Erfüllung ihres Glaubens erschienen ist.
Die hebräische Sprache und Litteratur sind für das Geistesleben des Abendlandes von großer Bedeutung geworden durch ihr Hauptdenkmal, die Schriften des Alten Testamentes. In denselben wird teils das Schicksal des Volkes Israel in einfacher und schöner Weise erzählt — histori sche Bücher; teils enthalten sie lyrische Dichtungen, wie die Psalmen, didaktische, wie das berühmte Buch Hiob, guomische oder Spruchdichtung, wie die Sprüche Salomonis, — poetische Bücher; teils sind in ihnen niedergelegt die eine nationale Erhebung und Besserung anstrebenden Predigten der Propheten — prophetische Bücher. (Nach der aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. stammenden Einteilung der Bücher des A. T. stellt man diesen 3 Abteilungen, die als kanonische bezeichnet werden, die apokryphischen Bücher entgegen, die, zum Teil hebräisch geschrieben, nur in griechischer Sprache erhalten sind; zu ihnen gehören z. B. die zwei Bücher der
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Extrahierte Personennamen: Elias Elisa Jesaias Jeremias Nebukadnezar Alexanders Jesu_Christi
Extrahierte Ortsnamen: Israel Juda Israel Hosea Israel Juda Judäa Jerusalem
16 Erster Teil. Das Altertum.
durch die Gemeinsamkeit der Grundbestandteile ihrer Sprachen. Alle indogermanischen Völker haben zur Bezeichnung der wichtigsten und ersten Thätigkeiten und Begriffe in Familienleben und Religion dieselben Benennungen.
Das dem Urvolke der Zeit und der Entwicklung nach am nächsten stehende Volk der Arier sind die Inder. Sie waren aus den Ursitzen in das Gebiet des oberen Indus (Pendschab) gezogen und verbreiteten sich im Kampfe mit der, wahrscheinlich schwarzen, Urbevölkerung in das Gangesthal und über ganz Vorderindien bis Ceylon. Von diesen Kämpfen legen Zeugnis ab die beiden großen Heldengedichte Mahabharata und Ramljana. In den Gangesländern entwickelte sich zuerst der nachher herrschend gewordene indische Volkscharakter: Neigung zu unthätigem Grübeln und Brüten, Überwiegen der Phantasie über den Verstand, phantastisch-religiöse Schwärmerei. Ursprünglich, im Jndnslande, lebten die Inder als thätige, einfache Ackerbauer und Hirten, ihre Religion war ein Naturdienst (Indra, Gott des Himmels; Agni, Gott des Feuers); obenan stand Varnna, der Ordner des All). Im Gangesthale wurde Lebeu und Sitte verändert. Die Erhaltung des Lebens erforderte hier keine oder nur geringe Arbeit mehr, daher Erschlaffung und Üppigkeit. Sonderung in vier^starrleschiedene Kasten; aus dem arischen Stamme: Brahm an as, Priester, Kschatrijas, Krieger, aus denen die Könige genommen wurden, Vaiyjas, Grundbesitzer, Kaufleute, Gewerbtreibende; aus den eingebornen Stämmen: Sudras, Tagelöhner, Sklaven. Außerdem gab es noch Menschen, die man als unreine den Tieren gleichstellte, Parias genannt. — An die Stelle der alten Naturgötter trat Brahma, der alles durchdringende und beseelende Geist, dem später Wischnu, der Erhalter, das Gute, und Siwa, der Zerstörer, das Böse, an die Seite trat. Die Priester bildeten eine tiefsinnige Lehre von dem Fortleben der Seele, von der Seelenwanderuug, von der Sünde und ihrer Erlösung aus. Auch die Staatsordnung lag in den Händen der Priester.
600 Etwa um das Jahr 600 v. Chr. erfuhr die indische Religion eine Umbildung durch Buddha; er lehrte, daß der Mensch durch Tugend, Entsagung und Geduld zur ewigen Seligkeit kommen kann ohne Rücksicht auf die Kaste, welcher er zugehört. Darin und auch in manchen einzelnen Lehren dem Christentums ähnlich, eignete sich der Buddhismus zur allgemeinen Religion und breitete sich allmählich über ganz Ostasien aus, wo er noch heute herrscht.
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Vorwort.
^3ei der Flut von Lehrbüchern, welche alljährlich den deutschen Büchermarkt überschwemmt, bedarf die einzelne Erscheinung wohl einiger Geleitsworte, die, indem sie die Grundsätze, nach denen, und den Zweck, für welchen der Verfasser arbeitete, nennen, zugleich die Direktiven der Beurteilung geben.
Für den besonderen Zweck des Unterrichts an den höheren Bildungsanstalten des weiblichen Geschlechtes besitzen wir nicht viele historische Lehrbücher. Die meisten der an denselben in Gebrauch befindlichen Bücher sind im allgemeinen „für höhere Schulen" bestimmt und nehmen also auf die Bedürfnisse der Mädchenschule keine besondere Rücksicht. Das einzige für diese ausdrücklich bestimmte Lehrbuch weiterer Verbreitung ist das von Dr. Wern icke. Ich bin weit entfernt, dasselbe herabzusetzen, aber es ist doch nicht zu leugnen, daß seit seinem ersten Erscheinen die Bedürfnisse des weiblichen Unterrichtes vielfach besser erkannt und in anderer Art abgegrenzt sind. Die Änderungen welche das W.sche Buch nach des Verfassers Tode in fast allen Auflagen erfahren hat, bestehen meist in einzelnen Weglassungen und Zusätzen; an dem Plane des Ganzen ist nichts geändert, und eine organische Umgestaltung, wie sie beispielsweise die Gymnasiallehrbücher von D i e t s ch durch Gustavrich-ter erfahren haben, ist nicht in Aussicht.
Es schien daher dem Unterzeichneten der Mühe wert, den deutschen höheren Mädchenschulen ein Lehrbuch der Geschichte darzubieten, in welchem sie nicht nur alles finden, was billigerweise eine gebildete Frau wissen oder znm wenigsten einmal gewußt haben muß, sondern in dem dieser Stoff auch nach den in besonnenen pädagogischen Kreisen jetzt allgemein angenommenen Gesichtspunkten verarbeitet ist. Von diesen Gesichtspunkten nenne ich: a) möglichste Beschränkung des Stoffes und zwar so, daß das durch die Bedürfnisse der Mädchenschule bedingte Wertverhältnis der einzelnen Gebiete Berücksichtigung erfährt; b) übersichtliche Gruppierung des Stoffes, wobei — Jahreskurse zu 40 Wochen gerechnet — auf die Woche durchschnittlich nicht mehr als l1/* Paragraphen entfallen.
Auf den ersten Blick wird es scheinen, als ob zwischen Teil I (alte Geschichte) und Teil Ii (mittlere und neue Geschichte) ein Mißverhältnis zu gunsten des ersteren bestehe; besonders in den Abschnitten über die Kunst und Litteratur in Griechenland wird man eine verhältnismäßig große Ausführlichkeit bemerken. Ich habe mich dabei, besonders auch auf Grund der Äußerungen des Direktors Dr. T h o r b e ck e-Heidelberg auf der Jahresversammlung 1882 des „Vereins für das höhere Mädchenschulwesen in Deutschland" zu
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§ 8. Die Religion der Griechen. 21
Hi. Periode. 500—431 v. Chr. Vom Beginn der Perserkriege bis zum Ausbruch des peloponnesischen Krieges.
Iv. Periode. 431—338 v. Chr. Vom Ausbruch des peloponnesischen Krieges bis zum Untergänge der griechischen Freiheit
^Schlacht bei Chäronea).
V. Periode. 338—146 v. Chr. Von der Schlacht bei Chäronea bis zur Zerstörung von Korinth (Unterwerfung durch die Römer).
Die Griechen haben zum erstenmal eine tiefere geistige Bildung und Wissenschaft gepflegt, und ihr Gefchmack und Kunstsinn, sowohl in der Litteratur als in der Architektur und Skulptur, find bisher noch nicht wieder erreicht. Daneben huldigten sie einer rein menschlichen hohen Sittlichkeit, deren Träger auch uns Christen ehrwürdig erscheinen (Aristides, Sokrates).
I. Periode.
Zeitalter der Keroen.
?— ssl. 1100 v. Chr.
§ 8. Die Religion der Griechen.
Die Griechen glaubten an mehrere Götter (Polytheismus). Die Zahl derselben, von denen viele irgendwelche menschliche Thätigkeit unter ihrer Obhut hatten (Personifikationen), war sehr groß. Es lassen sich aber 12 Hauptgötter, die sogenannten olympischen, angeben; diese sind:
1. Zeus (bei den Römern Jupiter), „der Vater der Menschen und Götter". Er erhält die Welt in ihrer ewigen Ordnung und die Grundlagen der menschlichen Gesellschaft (Gastfreundschaft, Eid rc.) find von ihm geheiligt. Denn gesittete Zustände sind erst eingeführt, als er an die Stelle roher, gewaltsamer Naturgötter (Titanen) trat. Er wurde überall, hauptsächlich aber in Olympia (Elis, Peloponnes) verehrt, wo auch sein berühmtes Bildnis von der Hand des großen Bildhauers Phidias aufgestellt war. —
2. Hera (Juuo), seine Gemahlin, der vor allem der Schutz der Ehe oblag.
3. Poseidon (Neptun), der Gott des Meeres, welcher, während Zeus auf dem Lande vorzugsweise waltet, das Wasser mit seinen
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§ 9. Tie Mythologie. 23
12. Hestia (Vesta). Sie nährt die Flamme des häuslichen Herdes und nimmt ihn in Schutz.
Neben diesen Hauptgötteru gab es noch eine große Reihe anderer, von denen einige einen ausgedehnten Kult genossen. Bacchus oder Dionysos, Gott der Freude an den Erzeugnissen des Erdbodens, besonders des Weinstocks, daher des Weines selber. Seine Feste waren wild und ausschweifend (Zug der Bacchanten). Die Geister der Erde und Berge (Oreaden), der Bäume und Blumen (Dryaden), der Bäche (Najadeu) sind ihm ergeben. — Unter der Erde thront in der Finsternis Hades oder Plnton, zu dem die menschlichen Seelen nach dem Tode gelangen. Sein Diener ist Charon, der die Seelen empfängt und in seinem Nachen über den Styx führt.
Die Menschen sind abhängig von den Göttern, die trotz mancher menschlicher Schwächen (Anthropomorphismus) doch das Gute wollen; besonders die Erhaltung der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung liegt ihnen am Herzen und demgemäß die Bestrafung der Frevelthat, des Mordes, des Eidbruchs, der Überhebung, wobei sie in den schlangenhaarigen Erinnyen ihre Helferinnen haben. Die Gottesverehrung bewegt sich in festgeordneten Formen: Tempel (Zenstempel in Olympia, der Athene in Athen, des Poseidon in Argos n. a.); Opfer von Tieren (in vorhistorischer Zeit auch wohl Menschen); Prozessionen mit großen Festen. Ihren Willen offenbaren die Götter den Menschen durch Worte (Orakel, die berühmteste Fragestätte des Apollon in Delphi) und durch Zeichen (aus dem Vogelflug rc.). Beide Arten der Götterbefragung lagen vorzugsweise in den Händen der Priester.
§ 9. Die Mythologie.
Man kann die Hauptsachen aus der griechischen Mythologie, soweit sie nicht Götterlehre ist, am besten nach folgenden Gesichtspunkten einteilen:
1. Die Sagen von den fremden Einwanderern (Dauaos, Pe-lops, Kekrops n. a.).
2. Die Sagen von einzelnen Heroen, welche für einzelne Stämme oder für das ganze griechische Volk die ersten Arbeiten der Kultur verrichteten (Herakles, Thesens u. a.).
3. Die Sagen von den gemeinschaftlichen Unternehmungen aller Griechen (Argonautenzug; trojanischer Krieg n. a.).
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Extrahierte Personennamen: Charon
Extrahierte Ortsnamen: Olympia Athen Argos Thesens
32 Erster Teil. Das Altertum.
Sohn, H i p p i a s, vertrieben. Nun wurde die Verfassung des Solon 510 weiter ausgebildet durch Klisthenes (ca. 510), besonders auch die Übermacht einer einzigen Person im Staate unmöglich gemacht durch Einrichtung des Scherbengerichtes, Ostradsmus, vermittelst dessen jedermann rechtmäßig ohne Unehre oder Vermögensverlust auf zehn Jahre verbannt werden konnte.
Ein ungemeiner Freiheits- und Vaterlandstrieb zeichnete die Griechen ans, und je besser die Einrichtungen waren, desto größer war die Kraft und der Wunsch, dieselben vor fremder Gewalt zu schirmen. Zu letzterem sollten sie bald gezwungen werden durch die Perser kriege.
§ 14. Kunst und Wissenschaft.
Schon in dieser Periode entwickelte sich das geistige Leben der Griechen auf den verschiedensten Gebieten zu einer hohen Stufe. Im allgemeinen hat man aber festzuhalten, daß der Zeit nach in dieser Hinsicht die Kolonien an der kleinasiatischen Küste und auf den Inseln des Ägäischen Meeres dem Mutterlande vorangingen. Die Baukunst erfuhr früh in den Tempelbauten Ausübung und Entwicklung: man hat in dieser Periode vor allem zwei, von einander unterschiedene Bauarten zu beachten. 1. Die dorische Bauart trug den Stempel der Einfachheit und Strenge, die Santen, wie die übrigen Teile des Tempels waren wenig geschmückt. 2. Die ionische Bauart ging über das bloß Zweckmäßige hinaus und trat durch schlanke, weniger verjüngte Säulen, reichere Kapitale, verzierte Balkenköpfe und Giebelfelder (Triglyphen und Metopen) in das Gebiet heiterer Anmut über.
(Anmerkung. Aus der frühesten und frühen Baukunst, vor der Einwanderung der Dorier, ist wenig erhalten; indessen sieht man z. B. au dem Schatzhaus des Atreus in Mykenä den vorzugsweise ans das Solide, Feste gerichteten, der anmutigen Schönheit noch fernstehenden Sinn der ältesten Bewohner Griechenlands. — Einige wichtige Tempelbauten aus unserer Periode sind der Heratempel in Samos, der Dianatempel zu Ephesus.)
Die Bildhauerkunst stand noch in ihren Anfängen. Ursprünglich gab man den Steinen, aus welchen man Götterbilder schaffen wollte, nur eine in den allgemeinen Umrissen menschenähnliche Gestalt; noch waren die Arme eng an den Körper geschmiegt, ja noch nicht einmal durch einen Zwischenraum von dem-
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§ 14. Kunst und Wissenschaft. 33
selben getrennt, und die Beine tourben überhaupt noch nicht nach-gebilbet, sondern nur der Rumpf, der nach unten in einen kunstlos behauenen Stein verlief. Die selbständige Bearbeitung der Gliedmaßen hat erst Dädalos, eine durchaus sagenhafte Gestalt, erfunden. Indessen waren auch er und seine Schüler, benen wohl ein vollkommenes Jbeal vorschweben mochte, noch bnrch das Material und die unausgebildete Technik gebunden. (Sage vom Fluge des Dädalos.) —
Dagegen eneichte die Dichtkunst schon vor 500 einen boben Grad der Ausbildung.
a) Die ältesten Erzeugnisse der griechischen Poesie überhaupt die erhabensten epischen Gedichte der gesamten Weltlitteratur, sind die homerischen. Die alten Sagen von den Kämpfen'nm Troja und von der Heimkehr des Odysseus wurden in einzelnen Liedern von verschiedenen Sängern gefeiert und durch mündliche Überlieferung (Rhapsodien) fortgepflanzt. Pisistratns ließ dieselben sammeln und in zwei zusammenhängende Ganze vereinigen: das sind die Ilias und die Odyssee. Während jene vor den Mauern Trojas spielt und sich hauptsächlich mit den Kämpfen einzelner trojanischer und griechischer Heldeu beschäftigt (Achilleus, Hektor re.), führt uns diese mit dem vielgewandten, erfindungsreichen Laertiadert Odysseus in die reiche und lieb-liehe Märchenwelt der Griechen ein, wie sie sich um die Inseln und Küstengebiete des Mittellänbischen Meeres gebilbet hatte "(Homers Odyssee ist gut verbeutst durch Wilhelm Jordan.)
Dm Übergang zur Lyrik bildet Hesiodos, der in seinem vielgelesenen Gedichte „Tage und Werke" eine reiche Fülle tüchtiger Lebensweisheit seinem Volke übermittelte.
b) Ebenso erreichte in dieser Periode die lyrische Poesie bereits ihre höchste Blüte. Man pflegt dieselbe ihrer Form nach in drei Gattungen zu teilen:
1. Die elegische Poesie. Ihre Form ist das aus Hexameter und Pentameter bestehende Distichon. Ihr Inhalt war entweder em politischer, indem durch sie kriegerische Begeisterung erweckt wurde, wie in den Elegien des Tyrtäos, des Solon, oder, wie in anderen des zweitgenannten Dichters, politische Erwägungen dem Publikum dringender gemacht wurden (die Elegie „Salamis"); oder er war gnomisch: Weise Sittenlehren, in welchen das Festhalten an Ehre und Gewissen auch im wilden Parteigetriebe
Wy chgram, Lehrbuch der Geschichte. I.
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_Jordan Wilhelm Hesiodos
§ 48. Die römische Kunst und Wissenschaft. 95
angemessener Gruppirung und unter geistvollen Gesichtspunkten die dem Römer besonders angelegene Wissenschaft der Landwirtschaft darstellte (Ackerland, Baumkultur, Viehzucht, Bienenzucht). Endlich seien erwähnt die Eklogen (oder Bncolica), Idyllen, bei deren Abfassung Theokrit (vgl. § 23) als Muster vorgeschwebt hat, ohne daß es dem Dichter gelungen ist, die reizvolle Naivität des Griechen zu erreichen. — Im ganzen Mittelalter war Vergil der gelegenste und verehrteste Dichter (Vergil bei Dante. — Scheffels Ekkehard).
2. Quintus Horatius Flaccus (65—8 v. Chr.). Aus Süd- 65 Italien gebürtig, hat dieser Dichter nicht nur eine überaus viel- bis-fettige Bildung (zum Teil in Griechenland selber) sich verschafft, b sondern auch in die politischen Wirren der letzten Zeiten der Republik mit eingegriffen. — Der Ruhm des Horaz gründet sich aus seine lyrischen Dichtungen: a. in den Oden und Epoden trägt er
die Lehren einer nützlichen Weltklugheit vor, oder auch verleiht erden idealen Gefühlen des Patriotismus, der Bewunderung und Dankbarkeit Ausdruck, stets in meisterhafter Behandlung der griechischen Versformen (besonders alkäische und sapphische Strophen, vgl. § 14); b. in den Satiren und Episteln sucht er Untugenden einzelner Menschen und die Schäden des ganzen Zeitalters durch witzige Verspottung zu heilen. Diese in Hexametern geschriebenen Gedichte gewähren uns einen vortrefflichen Einblick in das Privatleben der Römer, in das Treiben des Marktes und der Straße. Die dritte Epistel, anderen Inhalts, hat ein besonderes Interesse, weil in ihr Horaz seine Ansichten über die wichtigsten Fragen der Dichtkunst auseinandergesetzt hat (de arte poetica). — Gemäß der Eigenart der lyrischen Poesie tritt in den Gedichten (besonders den unter a. angeführten) die Persönlichkeit des Dichters oft stark hervor, und wir bemerken eine gewisse Eitelkeit auf seine schriftstellerischen Leistungen an ihm.
3. Der geistvollste unter den römischen Dichtern war Ovidius 43 Naso. Indes zeigen seine Werke nicht die sittliche Größe und bis 17 Strenge der Gesinnung, wie z. B. die des Vergil. Sein bekanntestes n-Werk sind die Metamorphosen („Verwandlungen"), in denen er
mit großem Erzählertalent eine Anzahl alter Märchen, deren Schluß irgend eine Verwandlung bildet, bearbeitete (Philemon und Bauäs u. ct.). Außerdem schrieb er Elegien erotischen Inhalts und die Briefe aus dem Pontus, welche letzteren dem Schmerz über die Trennung von der Hauptstadt Ausdruck verleihen, zu der er
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96 Erster Teil. Das Altertum.
durch seine von Angnstus aus unbekanntem Anlaß verfügte Verbannung nach dem Schwarzen Meere gezwungen war. Die dichterischen Vorzüge des Ovid sind: Leichtigkeit und Eleganz in der Handhabung der Sprache und des Verses (Hexameter und Distichen), außerordentliches Geschick im Erzählen und Beschreiben vermöge einer überaus beweglichen und schöpferischen Phantasie. —
Außer diesen Dichtern merke man sich noch die bedeutenden Lyriker Catnll, Tibull, Proper z.
Die prosaische Litteratur der Römer ist ungleich reicher. In ihr herrschen, dem römischen Charakter gemäß, historische uni) staatswissenschaftliche Stoffe vor.
Einer der besten römischen Prosaschriftsteller ist Marcus Tullius 106 Cicero, der berühmte Redner (106—43 v. Chr.). Durch seine Reden, die in großer Zahl auf uns gekommen find, nahm er lebhaften Anteil an dem staatlichen Leben seiner Zeit, wenn auch nicht immer in gleich mutiger und fester Weise. In der obenerwähnten Entlarvung der verbrecherischen Umtriebe des Catilina (gegen welchen er einige seiner berühmtesten Reden hielt), sahen seine Zeitgenossen eine förmliche Rettung des Vaterlandes. Seine Reden z. B. für die Übertragung des Oberbefehls gegen die Seeräuber und gegen Mithridates an Pompejus, ferner die gegen Verres und besonders die sog. Philippika gegen Antonius sind von höchster Vollkommenheit des lateinischen Stils und von ungemein klarer Anordnung und Entwicklung der Gedanken, weshalb ihr Studium noch heute zu den vorzüglichsten Mitteln der Schulung im Denken gehört. — Auch theoretisch hat Cicero sich mit der Redekunst beschäftigt und ihre Gesetze und Regeln in besonderen Schriften entwickelt. Auch die Philosophie und Staatslehre beschäftigten ihn, und wenn er in diesen Wissenschaften nicht ein schöpferischer Denker war, so hat tr doch die Gedanken anderer in geschickter Weise in einander verarbeitet (Eklektiker). Von den philosophischen Schriften sind die tnsknlanischen Abhandlungen (fo genannt von seinem Landgut in Tuskulum) die bedeutendsten. — Für die Einsicht in das Leben ihres Verfassers sowohl als auch in die allgemeinen Zustände der letzten Zeit der Republik sind sehr wichtig die Briefe des Cicero. (Lehrreich ist das Buch von Boissier: Cicero und seilte Freunde, deutsch bearbeitet von Döhler. Leipzig 1869.)
Von den Geschichtsschreibern sind zu merken:
1. Titus Livius aus Padua. Er schrieb eine umfangreiche
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Extrahierte Personennamen: Catnll Marcus_Tullius_106_Cicero Antonius Cicero Boissier Döhler Titus_Livius
§ 48. Die römische Kunst und Wissenschaft. 97
und planmäßige Geschichte Roms von den sagenhaften Anfängen bis auf seine Zeit. Von seinem Werke besitzen wir nur noch einen verhältnismäßig kleinen Teil. Wenngleich Livins über die frühere Geschichte Roms manche unzutreffenden Vorstellungen hat, so ist doch sein Werk wegen der vortrefflichen Darstellung und des edlen patriotischen Geistes unschätzbar.
2. Sallustius, von dem wir noch zwei kleine, aber künstlerisch vollendete, geistvolle Schriften (über die eatilinarische Verschwörung und über den jugnrthinischen Krieg) besitzen.
3. Julius Cäsar. Dieser große Staatsmann hat einen Teil seiner eigenen Thaten in seinen Commentarien der Nachwelt erzählt; besonders die über den gallischen Krieg (de bello gallico) zeichnen sich durch eine seltene Klarheit, Einfachheit und Vollendung der Sprache aus.
Der berühmteste Geschichtsschreiber des römischen Altertums war der im I. Jahrhundert nach Christo lebende
4. Cornelius Tacitus, der in seinen „Historien" und „Annalen" eine glänzende und tiefsinnige Darstellung der Geschichte seiner Zeit gegeben hat. Für uns Deutsche hat fein kleines Büchlein „über die Lage und die Sitten Deutschlands" am meisten Interesse; es sind die ersten eingehenderen Nachrichten, welche wir über unsere Vorfahren vernehmen. (Kurzweg genannt „Tacitus' Germania".)
Von den übrigen Schriftstellern der ersten Kaiserzeit seien noch erwähnt:
1. Plinius der Ältere, der in einem großen und fleißigen Sammelwerke das damalige Wissen von der Natur zusammentrug (historia naturalis).
2. Plinius der Jüugere, von dem wir noch wichtige Briefe an den Kaiser Trojan besitzen (eine der ersten Erwähnungen der Christen seitens eines römischen Schriftstellers).
3. Seueca, der durch seine philosophischen Schriften Ruhm
gewann, in denen er ein schönes Ideal sittlichen Strebens entwickelte.
Repetition: Römischelitteratnr unter griechischem Einfluß.
Lustspieldichter: tßlautus (Miles gloriosus u. a.). Terenz (Mädchen von Andros).
Blüte der römischen Litteratur im Zeitalter des Angustus. — Dichter:
1. Publius Vergilius Maro (Virgil): Äneide, Georgika, Eklogen.
2. Quiutus Horatius Flaccus (Horaz): Oden, Epoden, Satiren, Episteln.
3. Publius Ovidius Naso (Ovid): Metamorphosen. Briefe aus dem Pontus.
Wychgram, Lehrbuch der Geschichte, i. 7
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